Vom Versicherungsverkäufer zum Tellerwäscher: Dieser Aargauer führt das älteste Naturfreundehaus der Schweiz

Erst lernte er Bäcker, dann war er Handballprofi und stieg bei einer Versicherung auf. Jetzt hat Daniel Bösch im Aargau die Zelte abgebrochen und bewirtet im Berner Oberland Wanderer und Skifahrerinnen. Schon die Reise zu ihm wird zum Erlebnis.

30. Juli 2024

Bilder: Alex Spichale

Wer Daniel Bösch besucht, hat alles richtig gemacht. Denn er tut dies im sicheren Wissen, an diesem Tag nicht arbeiten zu müssen. Das Naturfreundehaus Gorneren, wo er seine Gäste bewirtet, ist nämlich gar nicht so schnell zu erreichen. Entweder fährt man mit dem ÖV ins entlegene Kiental oder man wandert gleich direkt zum ehrwürdigen Holzhaus – zum Beispiel im Rahmen einer Via-Alpina-Tour.

Wem die 390 Kilometer lange Wanderroute durch die Alpen – zwanzig Etappen von Vaduz bis Montreux – aber zu anstrengend ist, oder wer generell lieber weniger als mehr läuft, darf sich auf das Postauto freuen. Die vierzigminütige Fahrt ab Reichenbach im Kandertal ist ein spektakuläres Erlebnis.

Vorbei an wilden Wasserfällen und unter überhängenden Felswänden geht es auf der steilsten Postautostrecke Europas bis auf die Griesalp im Berner Oberland.

Von hier sind es nur noch zehn Minuten Fussmarsch hoch zum Ziel dieser Reise.

Das Naturfreundehaus Gorneren ist 111 Jahre alt.

Im Naturfreundehaus Gorneren hat sich Daniel Bösch sein neues Reich geschaffen. Auf 1500 Metern über Meer und mit Blick auf das Blüemlisalphorn, die Wildi Frau und den Zahm Andrist.

Die Aussicht von der Terrasse lässt keine Wünsche offen (rechts im Bild: Blüemlisalphorn).

Hier begrüsst der gelernte Bäcker und mit 49 Jahren frischgebackene Wirt seine Gäste. 2022 hat er als Pächter übernommen, nachdem er auf das Inserat gestossen war. «Als ich gesehen habe, dass hier ein Hüttenwart gesucht wird, habe ich sofort zugeschlagen», sagt Bösch. «Das war schon lange mein Wunsch».

Daniel Bösch.

Als Ü40-Praktikant in den Bergen

Es ist ein Wunsch, der in ihm reifte, als er noch als Versicherungsberater tätig war. Nach seiner Bäckerlehre zog es ihn über Bekannte in die Branche. Zwanzig Jahre lang tourte er im Aargau und darüber hinaus von Tür zu Tür. «Das Beraten und das Eingehen auf die Wünsche der Leute habe ich gerne gemacht», erklärt Bösch. «Aber je länger ich dabei war, desto mehr ging es nur noch um die Zahlen. Die mussten immer stimmen. Ich war nur noch ein Verkäufer».

Also wollte er weg. Weg von dem Job, weg vom Flachland, hoch in die Walliser Bergwelt. 2018 entschloss er sich für ein Praktikum auf der Anenhütte im Lötschental. Für die Arbeit dort brauchte er sein Ferienguthaben auf. Knapp zwei Jahre später kündete er seinen Job endgültig und leitete ab 2020 für fünf Saisons (Sommer und Winter) die Küche auf der Weissmieshütte im Saastal. «Es ist eine harte, aber belohnende Arbeit. Der Kontakt mit den verschiedensten Menschen ist unbezahlbar», so Bösch.

Der Lohn für den Aufstieg mit dem E-Bike: Bösch serviert dem ehemaligen Extrembergsteiger und Stammgast Hans von Känel eine heisse Suppe.

Mit seinem Namensvetter, dem ehemaligen Schwinger und Unspunnen-Sieger Daniel Bösch, ist er übrigens nicht verwandt. Die beiden verbindet neben der Körpergrösse von 1,93 Metern aber auch die sportliche Vergangenheit. Mitte der 1990er-Jahre spielte der Aargauer als Halbprofi beim TV Endingen in der höchsten Schweizer Liga. «Ich habe für den Handball gelebt», sagt Bösch rückblickend. «Acht bis zehn Trainings pro Woche, auch in der Mittagspause bei der Arbeit.» Eine Knieverletzung zwang ihn schliesslich, kürzer zu treten. Als Juniorentrainer in Muri und Wohlen blieb er dem Handball noch bis 2021 erhalten.

Sommerserie Aargau Alpin: Besuch im Naturfreundehaus Gorneren, geführt vom Aargauer Pächter Daniel Bösch (im Bild), Kiental, Griesalp, 11. Januar 2024.

Kost und Logis à la Bösch

In der Gornerenhütte kann man sich als Gast auf eine einfache, aber gutbürgerliche Küche freuen. «Alle Zutaten stammen von hier aus der Region. Nur die Weine sind aus dem Wallis importiert», sagt Bösch.

Neben Chäs-Chnobli-Brot, Hörnli mit Ghacktem und Spätzlipfanne steht auch die empfehlenswerte Cholera auf der Karte, eine Walliser Spezialität. Diesen gedeckten Kartoffel-Lauch-Kuchen serviert Bösch mit einem gemischten Salat. Das Restaurant ist im Sommer täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Für die nächsten Gäste ist gesorgt.

Das Naturfreundehaus ist aber nicht nur ein Speiserestaurant. Im Zentrum steht die Möglichkeit, in der altehrwürdigen Hütte zu übernachten. Egal ob Schulklassen, Hochzeitsgesellschaften, Geburtstagsfeiernde, Firmen oder natürlich Wanderfans; sie alle können sich in der Gornerenhütte einquartieren. Die insgesamt 16 Zimmer bieten im Ober- und Dachgeschoss Platz für bis zu 50 Gäste. Seit Bösch vor zwei Jahren übernahm, hat er alle Zimmer eigenhändig renoviert. «Zusammen mit meiner Partnerin Ela habe ich hier frischen Wind reingebracht».

Die Gornerenhütte mit Eröffnungsjahrgang 1913 ist übrigens das älteste Naturfreundehaus der Schweiz. Der Verband mit seinen rund 13’000 Mitgliedern teilt sich in 100 Sektionen auf, denen insgesamt 63 Häuser überall in der Schweiz gehören. Viele davon sind einfache Gruppenhäuser, die günstig an Pfadis, Schullager oder Vereine vermietet werden. Einige jedoch werden wie die Gornerenhütte verpachtet. Im Unterschied zum Schweizer Alpen-Club SAC sind die Hütten der Naturfreunde unterhalb der Baumgrenze angesiedelt.

Die Schweiz wie aus dem Bilderbuch.

Das Dessert als Ass im Ärmel

Wegen des regnerischen Wetters im Frühling seien dieses Jahr viele Spontangäste ferngeblieben, sagt Bösch. «Die Gäste aus dem Ausland, die ihre Reise schon länger gebucht hatten, kamen aber trotzdem. Und dank vielen Gesellschaften war ich an den meisten Wochenenden auch gut ausgelastet.» Obwohl Bösch unterdessen seine Zelte im Aargau abgebrochen hat und nun selbst in der Hütte wohnt, erhält er viel Besuch aus dem Heimatkanton. «Gerade erst war ein ganzer Töffclub aus dem Freiamt hier. Die Stimmung war ausgezeichnet.»

Die Sommersaison auf der Gornerenhütte dauert noch bis Ende Oktober. Ab Mitte Dezember startet Bösch mit dem Winterbetrieb. «Wenn der Schnee hier meterhoch runterfällt und das ganze Tal still wird, hat das eine ganz eigene Magie», schwärmt Bösch. Gerade für Skitouren und Schneeschuhwanderungen sei seine Hütte ein beliebter Zwischenhalt.

Aber egal ob Sommer oder Winter, auf eines ist laut Bösch immer Verlass: auf die Desserts. Als gelernter Bäcker-Konditor sind die Süssspeisen noch immer sein Ass im Ärmel. «Selbst wenn ich alleine arbeite und bei einer Gesellschaft mit fünfzig Leuten im Stress bin; das Dessertbuffet rettet mir immer den Arsch», sagt er lachend, bevor er zum Schluss des Besuchs eine Schwarzwäldertorte nach eigenem Geheimrezept serviert. Wer Daniel Bösch besucht, hat alles richtig gemacht.

Sommerserie Aargau Alpin: Besuch im Naturfreundehaus Gorneren, geführt vom Aargauer Pächter Daniel Bösch (im Bild), Kiental, Griesalp, 11. Januar 2024.

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