«Gräbt uns einen Teil des Umsatzes ab»: Schadet das Adventsdorf dem Oltner Gewerbe?

Die Weihnachtsveranstaltung zieht fast 200’000 Gäste in die Oltner Innenstadt. Davon sollen auch die angrenzenden Gewerbler profitieren. Doch es gibt auch Kritik, wie eine Umfrage zeigt. Das «Abbasso» ist wegen einer neuen Gebühr gar aus dem Gewerbeverband ausgetreten.

12. Dezember 2024

175’000 Besucher, mehr als 100 verschiedene Aussteller, 60 Chalets, 23 Tage Laufzeit und eine alles überstrahlende Weihnachtspyramide: Das Oltner Adventsdorf ist kein normaler Anlass. Die drei Fragezeichen würden ihn vermutlich als «spezialgelagerten Sonderfall» bezeichnen. Die Stadt Olten stuft ihn wie die Chilbi oder den OL-Weltcup als Anlass der «Kategorie C» ein. Während der Veranstaltung gelten für die Nutzung des öffentlichen Raums daher Sondervorschriften.

Das Adventsdorf findet unter dem Patronat der Stadt und des Oltner Gewerbeverbands statt. Mitglied im Verband sind auch viele Anrainer der Veranstaltung. Gerade im so wichtigen Weihnachtsgeschäft stellt sich die Frage: Lässt die Anziehungskraft des Adventsdorfs die Kassen der Gewerbler zusätzlich klingeln?

Die Gastrobetreiber

Bei der Café/Bar Gryffe an der Kirchgasse beurteilt man die Veranstaltung durchwegs positiv. Co-Geschäftsinhaber Beat Thommen (Thommen Gastronomie) sagt dazu: «Das Adventsdorf bringt mehr Leute und eine gute Stimmung in die Stadt.» Dass dem Gryffe dadurch Kundschaft entgehe, glaubt Thommen nicht. «Wenn wir unsere Sache gut machen, muss ich mir keine Gedanken machen.» Für seinen Betrieb sei die Veranstaltung also eher ein Vorteil.

Anders tönt es von gegenüber aus dem Gewölbekeller des «Abbasso». Seit sie den Gryffe 2020 abgegeben haben, betreiben Stef Dietschi und Rahel Liebi «nur» noch diese Apérobar. So, wie die Veranstaltung derzeit aufgegleist sei, hätten sie jedoch kaum etwas davon. Zwar betreiben sie vor dem Kellereingang einen Aussenbereich. Aber: «Die meisten Leute bleiben an den aus unserer Sicht zu vielen Ess- und Getränkeständen hängen und kommen gar nicht mehr bis zu uns ins Abbasso.»

Als es das Adventsdorf noch nicht gab, sei das Geschäft dank vieler Apéros noch «der Hammer» gewesen. «Aber die Veranstaltung gräbt uns jetzt einen Teil des Umsatzes ab», so Liebi.

Zudem würden sich zahlreiche Gäste mit dem Glühwein der Konkurrenz bei ihnen auf die Aussenstühle setzen und dadurch die Plätze besetzen. «Wir können und wollen ja schliesslich nicht den ganzen Abend Polizei spielen», so die beiden. Und: Wenn das Dorf um 23 Uhr schliesse, spüle das zwar spürbar mehr Leute ins «Abbasso». «Aber viele sind schon so betrunken, dass sie nur noch Leitungswasser konsumieren oder bloss bei uns aufs WC wollen. Wir haben keine Lust, einfach ‹Nette Toilette› zu spielen.»

Und dann wäre da noch ein Punkt: Wenn die Gastrobetreiber einen Aussenbereich führen, zahlen sie der Stadt dafür eine Gebühr – jeweils eine für die Sommer- und die Wintersaison. Wenn aber ein Kategorie-C-Anlass wie die Chilbi oder das Adventsdorf stattfindet, gelten Sondervorschriften. Es liegt im Ermessen des Veranstalters, ob, in welcher Grösse und zu welchem Preis die Anrainer in dieser Zeit den Aussenbereich nutzen dürfen.

Der Aussenbereich des Abbasso. Bild: Adrian Kamber

Bei den ersten drei Ausgaben des Adventsdorfs durften die angrenzenden Gastrobetreiber jeweils gratis ihren normalen Aussenbereich weiterführen. Nun verlangt der Veranstalter, die Kein Ding GmbH von Geschäftsinhaber Mike Zettel, erstmals eine Gebühr von 1081 Franken dafür. Dass das Wirtepaar nun auch noch eine Gebühr zahlen müsse, gefällt ihnen zwar nicht. Sie sagen aber: «Das ist natürlich sein gutes Recht, und das akzeptieren wir. Die Art, wie das Ganze drei Wochen vor Beginn der Veranstaltung kommuniziert wurde, und die Höhe der Gebühr gehen für uns aber gar nicht.»

Da der Event unter der Schirmherrschaft von Gewerbe Olten steht und mit Mike Zettel ein Vorstandsmitglied des Verbands das Adventsdorf veranstaltet, sagt Dietschi: «Das Adventsdorf sollte uns Mitgliedern ja auch was bringen.» Dass man trotz der Umsatzeinbussen nun auch noch zahlen müsse, habe allerdings das Fass zum Überlaufen gebracht: «So geht man nicht mit langjährigen Mitgliedern um.» Das «Abbasso» ist darum per sofort aus dem Gewerbeverband ausgetreten.

Dietschi und Liebi, die das «Abbasso» im September 2025 abgeben möchten, wollen aber unbedingt festhalten: «Grundsätzlich stehen wir hinter dem Adventsdorf und freuen uns über die belebte Innenstadt. Dass wir dabei Kompromisse eingehen müssen, ist normal.» Sie würden sich bloss wünschen, dass die Veranstaltung nur noch zwei Wochen dauert und für die Anrainer weiterhin kostenlos sei. Schliesslich würden sie ja das ganze Jahr über für eine lebhafte Kirchgasse sorgen.

«Durchzogen» ist die Zwischenbilanz auch nebenan bei Pascal Dumont. Seit April 2024 führt er zusammen mit seiner Frau Anne die Weinbar «Für Margrit». Dumont sagt: «Wir spüren die Konkurrenz der vielen Ess- und Getränkestände. Dank unseren Raclette-Gondeln zeigen wir Präsenz und können wieder einige Leute abholen.»

Die Aussenfläche und die Gondelmiete seien zwar teuer gewesen, aber: «Es wäre noch teurer, wenn wir gar nichts gemacht hätten.» Er wünscht sich, dass die Stadt in Zukunft die Rahmenbedingungen für Anrainer bei solchen Grossanlässen verbessert. «Sonst ist das Adventsdorf eine coole Sache, da läuft etwas in der Stadt.»

Die Fondue-Gondeln vor dem «Für Margrit» auf der Kirchgasse. Bild: Bruno Kissling

Die Detailhändler

«Ein solcher Anlass ist immer zweischneidig», meint Urs Bütler. Der Geschäftsinhaber der Buchhandlung Schreiber spüre im Vergleich zu den Jahren vor der Veranstaltung eine Umsatzeinbusse. «Aber es bringt auch Leute von weit ausserhalb zu uns.» Das Einzige, was er kritisieren könne, sei die Dauer der Veranstaltung. «Die letzte Woche vor Weihnachten müsste von mir aus nicht mehr sein», so Bütler.

Ein Lob gibt’s für die Zusammenarbeit mit dem Veranstalter. Letztes Jahr habe man noch gemeldet, dass die Chalets die Buchhandlung zu sehr versperren würden. Nun habe man auf das Feedback gehört und den Zugang verbreitert. «Eigentlich kann man nicht mehr viel besser machen.»

Dem schliesst sich Brigitte Bolliger, Co-Geschäftsführerin beim Modegeschäft Bernheim, an. «Letztes Jahr war der Eingang viel kleiner und man sah uns fast nicht. Das haben wir mit den Organisatoren angeschaut und sie haben das berücksichtigt.» Das Adventsdorf schaffe eine gemütliche Atmosphäre und biete den Geschäften mehr Sichtbarkeit dank der vielen Besucher, lobt Bolliger. Ob und wie sich das auf den Umsatz auswirke, könne allerdings nicht beurteilt werden.

Die Geschäfte an der Mühlegasse

Für einen Fünfliber kann man mit einem Schwimmreifen auf der Schlittelbahn die Mühlegasse hinuntersausen. Wer zu den angrenzenden Geschäften gelangen will, muss entweder bei der Bijouterie Maegli oder unten bei der «Schlosserei» einfädeln. Für Silvia Jabbour, Geschäftsleiterin im Copy Quick, kein Problem: «Die Leute, die kommen wollen, kommen auch. Einbussen habe ich dadurch nicht. Es ist schön, wenn so viele Leute in der Stadt sind.»

Die Schlittelbahn erschwert den Zugang zu den Geschäften an der Mühlegasse. Bild: Bruno Kissling

«Brot und Gebäck läuft gut», heisst es derweil beim Pino Beck. Geschäftsführer Marco Ramalingam spürt einzig bei den Patisserieprodukten einen Rückgang. «Die Stände draussen haben eben auch viele süsse Sachen zu bieten. Für eine Bilanz zum Weihnachtsgeschäft ist es aber noch zu früh.» Da er und seine Frau erst dieses Jahr das Geschäft übernommen haben, kann er keinen Vergleich zu den Vorjahren ziehen.

Das Kulturzentrum

Auf dem Vorplatz des Kulturzentrums Schützi befinden sich neben weiteren Chalets auch die Curlingbahn und der Streichelzoo. Der erschwerte Zugang zum Kulturzentrum ist für Geschäftsführerin Nina Knapp nichts Neues – das kenne man etwa von den Public Viewings beim Fussball. «Natürlich gibt es manchmal Rückmeldungen vom Publikum, dass man den Eingang nicht auf Anhieb gefunden habe. Aber grundsätzlich machen solche Anlässe die Stadt Olten attraktiv.»

Weniger Besucherinnen und Besucher hätten die Kulturveranstaltungen wegen des Umwegs nicht. «Wer ein Ticket hat, kommt sowieso», sagt Knapp. Beim Barumsatz spüre man allerdings, dass die Leute derzeit lieber an das Adventsdorf gehen.

Das sagen Veranstalter und Gewerbeverband zur Kritik am Adventsdorf

Die befragten Gewerbetreibenden sind sich einig: Das Adventsdorf belebt die Stadt wie kaum eine andere Veranstaltung. Das hört auch Organisator Mike Zettel gerne. Da er zugleich Vorstandsmitglied beim Gewerbeverband ist, sagt er: «Selbstverständlich wollen wir das einheimische Gewerbe nicht tangieren oder benachteiligen. Es ist ein Geben und Nehmen, und jeder, der sich geschickt anstellt, kann davon profitieren.»

Organisiert mit seiner Kein Ding GmbH das Adventsdorf: Mike Zettel. Bild: Bruno Kissling

Die kritischen Stimmen seien ihm aber nicht unbekannt. «Ich verstehe beide Seiten, und wir bemühen uns, für alle eine faire Lösung zu finden.» Zur neu erhobenen Gebühr für die Gastrobetriebe erklärt er: «Für die Veranstaltung haben wir Ausgaben von über 700’000 Franken.» Während externe Standbetreiber die reguläre Miete bezahlen, handle es sich bei der Gebühr für die Anrainer nur um einen Bruchteil davon. «Aber ich gebe zu: Aufgrund eines Missverständnisses war die Kommunikation, gerade mit dem ‹Abbasso›, etwas unglücklich. Das werden wir nächstes Jahr nochmals anschauen.»

Zur Dauer der Veranstaltung führt Zettel immer wieder eine Umfrage durch. «Manche wünschen sich noch mehr, andere weniger.» Die Dauer von 21 bis 23 Tagen lasse sich aber kaum verkürzen. Ansonsten würde sich so ein Grossprojekt gar nicht erst lohnen. Oder man müsste mit den Preisen nach oben gehen. «Eine Verlängerung wird es aber auch nicht geben», versichert Zettel.

Dass es zu viele Essens- und Getränkestände gebe, glaubt Zettel nicht. Im Gegenteil: «Das Gäste-Feedback ist eindeutig: Sie sagen, wir haben einen super Mix.» Von den 60 Häuschen seien 13 Essens- und Getränkestände, die restlichen 47 verkaufen Waren. Mittlerweile würde er gar schon so viele Anfragen erhalten, dass er das Adventsdorf alleine mit Essensständen bis ins Gheid erweitern könnte, so Zettel.

«Rabatt von 80 bis 90 Prozent»

Es sei schade, dass das «Abbasso» aus dem Gewerbeverband ausgetreten sei, so Zettel. Mit der Aufgabe des Betriebes im September 2025 sei das aber zu erwarten gewesen. Dasselbe sagt auch Darko Bosnjak, Co-Präsident von Gewerbe Olten. Dass man die neue Gebühr nun zum Anlass für den Austritt genommen habe, verstehe er aber nicht.

Darko Bosnjak, Co-Präsident von Gewerbe Olten.
Bild: Bruno Kissling

Denn: «Die Anrainer (Abbasso, Gryffe und Für Margrit, Anm. d. Red.) haben einen Rabatt von 80 bis 90 Prozent bekommen. Alle anderen Standbetreiber bezahlen die normale Gebühr.» Das gelte selbst für lokale Betreiber wie die «Suteria» oder den Suppenstand von «Kalte Lust». Bei Letzterem ist Bosnjak selbst der Inhaber. «Das Adventsdorf ist eine Veranstaltung für die Stadt und das Gewerbe», betont Bosnjak. Bei einer sechsstelligen Summe für die Organisation sei die Gebühr für die Anrainer ein kleiner Beitrag an das Marketing.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert