Mit einem Elektrozaun versucht ein Landwirt in Murgenthal den Biber von Feldern fernzuhalten. Noch lieber wäre es ihm, wenn das Nagetier abgeschossen werden könnte. Der kantonale Biberbeauftragte hält dies nicht für nötig, stellt aber zunehmende Konflikte fest. Schwierig: Der Kanton kann keine Biberschäden an der Infrastruktur vergüten.
7. Juni 2024
Landwirt Manfred Frey hat genug vom Biber. Im Murgenthal bewirtschaftet er zwischen der Aare und der Bahnlinie einen 2 Kilometer langen Streifen Land. Ständig hat es der Biber dort auf Weizen und Mais abgesehen. Die Schäden werden immer grösser, die Zeiten, sie zu beheben immer länger. Letzten Sommer kündigte er im «Zofinger Tagblatt» an, einen Zaun gegen den pelzigen Nager aufstellen zu wollen.
Gesagt, getan: In einem Beitrag der SRF-Rundschau erklärt Frey, dass er sein Feld entlang der Aare mit einem Elektrozaun gesichert habe: «Das schöne an dem Draht ist, dass der Biber hier direkt aus dem Wasser kommt und somit ganz nass ist. Wenn er an den Draht stösst, zwickt es ihm auch richtig eins.» Mit Kommentaren von Naturschützern, die sagen, dass man lernen solle, mit dem Biber zu leben, kann Frey wenig anfangen. «Dann muss ich ja akzeptieren, dass er die Flächen, die ich ansäe wieder verwüstet», so der Landwirt im Beitrag. Er fordert, dass man den Biber reguliert, sprich präventiv abschiessen kann.
Darf der Biber bald abgeschossen werden?
Möglich ist das derzeit (noch) nicht. Der Biber gilt als geschützte Tierart. Anfang des 20. Jahrhunderts noch fast ausgerottet, setzte man in den 1950er- bis 1970er Jahren wieder Hunderte Tiere aus. Mittlerweile leben in der Schweiz schätzungsweise 5000 Biber, dreimal mehr als noch 2008. Da sich der Nager so gut vermehren konnte, ist er seit 2022 auf der Roten Liste der Säugetiere nicht mehr als gefährdet eingestuft. Gemäss einer Bestandesaufnahme aus dem Jahr 2022 leben alleine im Aargau rund 550 Biber.
Am Schutzstatus des Bibers wird derzeit mächtig gesägt. Im April schickte Umweltminister Albert Rösti eine Jagdgesetzrevision in die Vernehmlassung. Darin ist vorgesehen, dass die Kantone künftig Abschussbewilligungen erteilen können, wenn die Biber erhebliche Schäden anrichten. Als Schaden wird «bereits der Beginn der Tätigkeit des Bibers, das heisst das Untergraben vor Einsturz oder das Aufstauen vor der Überflutung bezeichnet», heisst es in den Vernehmlassungsunterlagen. Umweltschutzverbände fürchten, dass dadurch viele Tiere präventiv bejagt und abgeschossen werden könnten.

Kanton kann nur Schäden an Kulturen vergüten
Ebenso soll die Verordnung neu regeln, dass Bund und Kantone für von Bibern verursachte Infrastrukturschäden (zum Beispiel an Strassen und Gebäuden) aufkommen müssen. Das ist bisher nicht der Fall. Grundeigentümer, meist Gemeinden oder Landwirte, müssen diese Schäden selbst bezahlen. Mit der aktuellen Gesetzgebung muss der Kanton lediglich Schäden an Landwirtschaftskulturen entschädigen.
Gemäss Christian Tesini, Fachspezialist Jagd und Wildtiere im Departement Bau, Verkehr und Umwelt, habe der Kanton Aargau seit 2011 etwa 50’000 Franken für Biberschäden an Landwirtschaftskulturen ausgezahlt. «Rund 500’000 Franken Schaden sind aber alleine durch Wildschweine entstanden», sagt Tesini. Der Betrag für die Biberschäden sei im Vergleich dazu «vernachlässigbar».
Infrastrukturschäden durch Biber nicht bezifferbar
Die Schadenssummen an der Infrastruktur, die Biber durch Dämme, aufgestautes Wasser oder Löcher im Boden verursachen, sind aber weitaus höher. Im Beitrag der «SRF-Rundschau» wird ein Fall an der Uerke in Holziken gezeigt: Mehrfach haben sich Biber dort unter einem Veloweg durchgegraben und auf der angrenzenden Pferderennbahn für grosse Erdlöcher gesorgt. Schon vier Mal habe man die Stelle dort flicken und mit Netzen sichern müssen, heisst es im Beitrag. Die Kosten von rund 50’000 Franken gingen zu Lasten der Gemeinde und des dortigen Landwirts.

Wie hoch solche Infrastrukturschäden im Aargau insgesamt sind, kann Fachspezialist Tesini allerdings nicht beziffern: «Da der Kanton für solche Fälle keine Entschädigungen leisten muss, führen wir keine Statistik.» Er bestätigt aber, dass die Gesamtsumme für Infrastrukturschäden weitaus höher ist als jene für die Schäden an Landwirtschaftskulturen. Sobald die neue Jagdverordnung in Kraft ist, muss der Kanton auch für diese Schäden aufkommen. Wie sich der Aargau in der noch laufenden Vernehmlassung dazu äussern wird, kann Tesini nicht sagen.
Biberbeauftragter muss öfter ausrücken
Auch Hanspeter Lüem ist Experte, wenn es um den braunen Nager geht. Er ist einer von vier Biberbeauftragten des Kantons und für den Westaargau zuständig. Wenn Schäden gemeldet werden, ist Lüem dafür zuständig, die Bibertatorte zu begutachten und das weitere Gefahrenpotenzial abzuschätzen. Schliesslich ordnet er Massnahmen an oder gibt dem Kanton eine Empfehlung ab, wie zum Beispiel die Entfernung eines Biberdamms.

Den wachsenden Biberbestand spürt er deutlich: «Mittlerweile muss ich jede Woche mindestens einmal ausrücken», sagt Lüem. Nicht alle Landwirte, mit denen er zu tun habe, seien gleich – aber: «Ich stelle schon fest, dass die Geduld und das Verständnis für den Biber abnimmt.» Aus seiner Sicht sei das Problem aber noch nicht so akut, dass man nun präventiv Biber abschiessen müsse, wie es die neue Jagdverordnung vorsieht. Und selbst wenn der Nager schliesslich zum Abschuss freigegeben werden sollte: «Der Biber ist nachtaktiv und oft unter Wasser. So einfach, wie sich manche das vorstellen, wird die Jagd nicht», sagt Lüem.