Damit sie nicht in die Turbine geraten: Beim Emmenwehr in Biberist nehmen die Fische die Treppe

Vor zwei Jahren wurde eine Fischauf- und abstiegshilfe beim Emmenwehr gebaut. Regelmässige Überprüfungen sollen zeigen, ob die Fische vom Millionenprojekt Gebrauch machen. Ein Besuch bei der täglichen Fischzählung in Biberist.

12. Juli 2023

Bilder: Patrick Lüthy

Montagnachmittag, Biberist, Stauwehr an der Emme: Die Sonne knallt vom Himmel, das Thermometer klettert weit bei über die 30-Grad-Marke. Dennoch müssen drei Mitglieder des Solothurner Fischereivereins in dieser Hitze einen Job erledigen, der sich nicht aufschieben lässt. Ihre Aufgabe: die Fische in der Emme zählen.

Das Ziel der Fischzählung ist einfach: Es soll überprüft werden, ob die Massnahmen auch tatsächlich greifen, für die man über vier Millionen Franken ausgegeben hat. Finden die Fische den neuen Aufstiegskanal beim Emmenwehr, um an der Turbine vorbei den Fluss hochzuschwimmen? Oder rudern sie schon vor dem Hindernis wieder hart backbord und drehen um?

Das Emmenwehr befindet sich ganz in der Nähe der Papieri Biberist.

So viel vorweg: Die Zahl der Fische, die an diesem Tag die Treppe nehmen, liegt weit über dem täglichen Durchschnitt. Das freut nicht nur die anwesende Presse, sondern auch diejenigen, die zur Zählung eingeladen haben. Und damit die Wirksamkeit der Fischtreppe demonstrieren.

So läuft die Fischzählung ab

Eingeladen hat David Gerke. Er ist Präsident des Solothurner Fischereivereins. Zusammen mit zwei Vereinsmitgliedern führt er die Zählung durch. «Der Verein übernimmt hier die manuelle Zählung, Vermessung und Protokollierung der aufsteigenden Fische», erklärt Gerke. Parallel dazu lässt er per Knopfdruck das Wasser aus dem Zählbecken.

David Gerke, Präsident Solothurner Fischereiverein und Kantonsrat (Grüne) aus Biberist.

Während der letzten 24 Stunden wurden die Fische dort «festgehalten». Das Becken ist so konstruiert, dass die Fische zwar ständig mit frischem Wasser versorgt werden, es aber nicht verlassen können.

Gerke drück den Schalter, um das Wasser aus dem Zählbecken zu lassen.

Sie müssen warten, bis Gerke und sein Team sie zählen und vermessen.

Wenn das Wasser abgelassen ist, können die Fische aus dem Zählbecken geholt werden.

Wenn keine Zählung stattfindet, können die Fische die 100 Meter lange Treppe mit ihren 12 Zentimeter hohen Stufen selbstständig durchschwimmen.

Während der Zählung werden die Fische links ins Zählbecken geleitet. Im Normalbetrieb ist die Klappe aber zu, und die Fische schwimmen selbstständig den Kanal hoch (Bildmitte).

Sind alle Fische eingesammelt, nimmt Gerke sie einzeln in die Hand und vermisst sie. Ein Kollege notiert sich alles fürs Protokoll.

David Gerke (vorne) und Marc Spielmann vom Fischereiverein bei der Zählung.

«Barben, Elritzen und Schmerlen sind dabei. Die Arten sind typisch für die Region hier», sagt Gerke. Auch zwei Schneider, eine gefährdete Fischart, sind im Becken gelandet.

Sobald alle Fische gezählt sind, werden sie oberhalb des Wehrs in die Emme gelassen, wo sie ihre Wanderung fortsetzen können.

Resultate der Zählung erst 2024

Geleitet wird die Zählung von der Fish Consulting GmbH. Die Firma ist spezialisiert auf Untersuchungen und Beratungen im Bereich Gewässerökologie.

Geschäftsführer und Gewässerökologe Armin Peter erklärt, wie so eine Zählung funktioniert: «Die Fischzählung findet nicht nur heute statt. Das ganze Projekt dauert insgesamt etwa zwei Jahre.»

Armin Peter, Gewässerökologe und Geschäftsführer der Fish Consulting GmbH.

Schon letzten Herbst habe man drei Monate lang gezählt. Von März bis Ende Juli findet nun eine weitere Zählung statt. In dieser Zeit werden die Fische immer während 24 Stunden gesammelt und dann gezählt. Und zwar an jedem einzelnen Tag. «So können wir sicherstellen, dass die Anlage das ganze Jahr über genutzt wird», so Peter.

Ende Juli beginnt die zweite Phase dieser Wirksamkeitskontrolle. Dann werden rund 1000 Fischen eine kleine Marke – 0,1 Gramm schwer – in die Bauchhöhle gepflanzt. Eine Antenne vor Ort kann dann jeden «getaggten» Fisch orten und so ein Jahr lang seine individuelle Route verfolgen. «Die Endresultate der Zählung liegen erst Ende 2024 vor.»

Darum muss die Zählung gemacht werden

Hintergrund dieser Fischzählung ist die Sanierung des Emmenwehrs vor zwei Jahren. Auslöser dafür war das 2011 revidierte Gewässerschutzgesetz. Es schreibt vor, dass die freie Fischwanderung in Schweizer Flüssen wiederherzustellen sei. Dazu müssen Betreiber von Wasserkraftanlagen bis 2030 alle Hindernisse beseitigen, mit denen sie die Fischwanderung beeinträchtigen.

Bei der Emme in Biberist ist dies das Stauwehr, wo eine Turbine rund 300’000 Kilowattstunden Strom pro Jahr produziert. Die ADEV Energiegenossenschaft aus Liestal, welche die Turbine betreibt, hat die Anlage infolge der Gesetzesänderung saniert und die Fischtreppe gebaut.

Das sanierte Stauwehr in Biberist.

Kostenpunkt: 4,2 Millionen Franken. Dazu kommen rund 800’000 Franken Ausfallentschädigung für die Zeit, als die Turbine während der Bauarbeiten stillstand. Bezahlt werden die Sanierung und die Wirksamkeitskontrolle aus einem Fond der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid.

Die wichtigste Zahl zum Schluss

Und wie viele Fische wurden heute gezählt? «83 Fische. 59 Elritzen, 14 Barben, 8 Schmerlen und 2 Schneider», vermeldet David Gerke nach rund einer Stunde Arbeit in der Hitze. Der Tagesdurchschnitt liege bisher bei etwa 30 Fischen. Armin Peters Fazit: «Ein erfreuliches Resultat. Die Fischtreppe funktioniert.»

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert