Das «Mahnmal» vom Säliquartier: Was hat es mit der einsamen Konstruktion an der Höhenstrasse West auf sich?

Die Anwohnerschaft fragt sich seit Jahren, was mit diesem Gerüst los ist. Als Aussichtsplattform für künftige Wohnungskäuferinnen und -käufer gedacht, steht sie nun seit langem ungenutzt in der Gegend. Ist das so überhaupt erlaubt?

6. Februar 2023

Von einer Freiluftkunstinstallation zu sprechen, wäre wohl übertrieben. Dennoch steht das Gerüst schon seit wohl bald zehn Jahren ungenutzt auf einer Wiese im Oltner Säliquartier. Genauer gesagt im Fustligfeld an der Höhenstrasse West. Allen, die ab und zu dort vorbeifahren, ist es schon aufgefallen. Für die Anwohnerinnen und Anwohner im Quartier ist die Konstruktion ein Anblick, der mehr Fragezeichen denn Freudensprünge auslöst.

Wieso steht dort auf der Wiese dieses etwa acht Meter hohe Gerüst? Wird bald etwas gebaut? Oder muss man es nicht abreissen, wenn schon so lange nichts gebaut wurde? Und wird damit nicht eine Gefahr geschaffen, falls dort jemand hochsteigt und runterfällt?

Einer, der sich diese Fragen schon seit längerem stellt, ist Peter Wullschleger. Er selbst wohnt ein paar Meter weiter unten an der angrenzenden Riggenbachstrasse und sieht das Gerüst von seiner Haustüre aus. Zudem gehört ihm eines der Reihenhäuser, das direkt nördlich an das Grundstück mit der Plattform grenzt. «Sicher kein schöner Anblick», sagt er beim Besuch vor Ort. «Aber in Gottes Namen, wir müssen wohl einfach damit leben.»

Peter Wullschleger, pensionierter Bauführer und Anwohner, nahe der Aussichtsplattform. Bild: Adrian Kamber

Auch ein Anwohner-Ehepaar, das an der Höhenstrasse West lebt und über die Wiese hinweg Richtung Norden die Jurakette sehen kann, ist nicht erfreut. «Es kann doch nicht sein, dass dieses komische Gerüst schon so lange dort steht. Jeden Sommer, wenn wir auf dem Balkon sitzen, denken wir: Ach wie schön, dass wir den Jura sehen können. Wenn nur dieser Metallklumpen nicht wäre», so die beiden am Telefon.

Eine weitere Nachbarin ärgert sich ebenso und nennt noch ein weiteres Argument: «Das Gerüst ist kaum gesichert. Ich habe schon Jugendliche hochsteigen sehen und ihnen gesagt, sie müssten sofort runterkommen. Was, wenn jemand runterfällt?»

Der Zugang zu der Treppe im Gerüst wird durch eine angelehnte Gittertür verhindert, die mit einer rostigen Kette befestigt ist. Will man sich trotzdem Zugang verschaffen, ist das – mit etwas Beweglichkeit an der Türe vorbei – jedoch keine grosse Sache.

In einem Punkt sind sich alle angefragten Anwohner einig: lieber dieses Gerüst auf der Wiese als eine Überbauung.

Gerüst demonstriert Aussicht vom dritten Stock

Eine solche Überbauung war dort nämlich jahrelang geplant. Sie ist der Grund, warum dieses Gerüst überhaupt erst aufgestellt wurde. Es handelt sich aber nicht um ein Baugerüst, sondern um eine Aussichtsplattform. Sie sollte den Ausblick demonstrieren, den man im dritten Stock hätte, sollte man dort wohnen.

Und die wäre auch gar nicht mal so schlecht: Es lässt sich die gesamte Jurakette einwandfrei betrachten. Inklusive des sogenannten «schlafenden Riesen», einer Hügelformation, die – von einem bestimmten Winkel aus betrachtet – wie ein zum Himmel gerichtetes Gesicht aussieht. Der Blick auf die Stadt hinunter ist ebenfalls ganz nett. Das lässt sich aber bereits erahnen, wenn man an der Strasse steht, ganz ohne die Konstruktion betreten zu müssen.

Die Aussicht auf die Jurakette und den «schlafenden Riesen» wäre von einem allfälligen dritten Stock aus zweifellos möglich. Bild: Adrian Kamber

Gestaltungsplan im zweiten Anlauf erfolgreich

2008 war auf dem Grundstück eine Überbauung mit drei Gebäuden geplant. Es handelt sich dort um eine zweigeschossige Wohnzone, wo grundsätzlich nur Ein-, Zwei- und Doppeleinfamilienhäuser erlaubt sind. Die damaligen Grundeigentümer Reto Bernasconi und Thomas Schwab planten aber mit drei Baukörpern mit je drei Vollgeschossen und einem zusätzlichen Attikageschoss.

Knapp ein Dutzend Leute aus der Anwohnerschaft, auch Peter Wullschleger, erhoben Beschwerde gegen den Gestaltungsplan mit Sonderbauvorschriften. Und sie bekamen recht: Ein Regierungsratsbeschluss vom 7. Dezember 2009 kam zum Ergebnis, dass das vorliegende Projekt «den Rahmen sprengen» würde und die Gebäude als «unzulässige Mehrfamilienhäuser» zu qualifizieren seien. Der Gestaltungsplan wurde an die Stadt Olten zurückgewiesen.

Die Grundeigentümer nahmen dies zum Anlass, das Projekt zu überarbeiten, und präsentierten das redimensionierte Ergebnis 2010. Auf das Attikageschoss wurde nun verzichtet, das dritte Geschoss aber blieb. Vorgesehen waren jetzt drei Zweifamilienhäuser mit einer maximalen Gebäudehöhe von 10,5 Metern. Die Pläne führten naturgemäss erneut zu Widerstand, es gingen elf Einsprachen bei der Stadt ein. Die Stadt hiess das Projekt gut.

Die vereinigte Anwohnerschaft erhob darauf wiederum Beschwerde beim Regierungsrat. Das Bau- und Justizdepartement führte 2012 zusammen mit den Beschwerdeführern, Architekt Thomas Schwab und Miteigentümer Reto Bernasconi, als Vertreter der Beschwerdegegner sowie Vertretern der städtischen Baudirektion einen Augenschein durch. Peter Wullschleger erinnert sich: «Sie haben damals unsere Häuser ziemlich heruntergemacht.»

Dieses Mal vermochte das Projekt aber insgesamt mehr zu überzeugen. Per Regierungsratsbeschluss vom 14. August 2012 wurde die Beschwerde abgewiesen. Der Gestaltungsplan trat wenig später in Kraft. Vier Jahre später wurde schliesslich ein Baugesuch bewilligt.

Trotzdem kam es nie zur Realisierung. Warum? Wullschleger vermutet, dass der Preis für die Eigentumswohnungen zu hoch angesetzt worden sei. «Wegen fehlender Nachfrage hat man wohl nie gebaut. Das ist aber nur eine Vermutung. Den Bau hätte wir akzeptieren müssen, da war ja alles bewilligt.»

Unklar bleibt, wann genau das Gerüst aufgestellt wurde. Wullschleger glaubt, es sei 2016 gewesen. Andere Anwohner sprechen von zehn oder 13 Jahren.

Eigentümer will kaum Auskunft geben

Das Grundstück gehört heute der Schwab Architektur und Liegenschaften AG. Thomas Schwab, der, wie erwähnt, für die Projektplanung auf dem Grundstück verantwortlich war, möchte zu der Konstruktion an der Höhenstrasse West keine Auskunft geben. Er lässt bloss verlauten, dass auf dem Grundstück aktuell nichts geplant sei und dass er auch nicht vorhabe, das Gerüst zurückzubauen.

Thomas Schwab, Architekt und Verwaltungsrat der Schwab Architektur und Liegenschaften AG. Bild: Bruno Kissling

Peter Wullschleger, der früher übrigens mit Schwab in einem Architekturbüro zusammengearbeitet hat, sprach ihn schon zweimal auf die Konstruktion an, wie er sagt. Dem Vernehmen nach will Schwab die Konstruktion stehen lassen, bis die Stadt auf ihn zukommt. Er soll sie auch als «Mahnmal» bezeichnet haben. Fragt sich bloss: Mahnmal wofür?

Stadt prüft erst auf Antrag

Wie geht es nun mit dem Gerüst weiter? Auch Kurt Schneider, Leiter der städtischen Baudirektion, weiss von der Installation: «Davon geht keine Gefahr aus. Und es verstösst auch nicht gegen das Baurecht. Aus Gründen der beschränkten Kapazitäten erfolgt eine Überprüfung allfällig fehlender formeller Vorgaben durch die Baupolizei erst auf einen Antrag Dritter.»

Schneider erklärt weiter, dass eine solche Installation eine Baubewilligung benötige, wenn sie länger als drei Monate stehe. «Sobald eine entsprechende Anzeige erfolgt, sind wir von Amtes wegen dazu verpflichtet, dies zu prüfen. Sollte sich herausstellen, dass keine vorliegt und kein freiwilliger Rückbau erfolgt, wird der Rückbau des Gerüsts verfügt.»

Die Eingabe per E-Mail oder Brief an die Stadt kann übrigens jede Person machen, man muss nicht aus der unmittelbaren Anwohnerschaft sein.

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