Diplomarbeit – Ein Konkurs-Unternehmen, viele Privatpersonen und kaum grosse Investoren: Wem die Oltner Altstadt gehört

76 Grundstücke gehören zu der Altstadt in Olten. Nimmt man die Besitzverhältnisse unter die Lupe, ergeben sich spannende Auffälligkeiten. Zehn Punkte.

Wem gehört die Oltner Altstadt? Wo ballt sich die Macht der Immobilienunternehmen? Welcher Privatperson gehören die meisten Grundstücke? Welche Rolle spielen die Einwohner- und Bürgergemeinde noch? Und wie viel kostet überhaupt ein Haus in der Altstadt?

Diese Zeitung hat alle 76 Grundstücke in der Altstadt ausgewertet. Das sind die Ergebnisse.

Wem gehört die Oltner Altstadt?

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Die Eigentumsverhältnisse natürlicher Personen weisen wir aus Datenschutzgründen nicht aus. Karte: Mark Walther

Der Blick auf die Karte zeigt gleich: Die Altstadt ist zum grössten Teil im Besitz von Privatpersonen. Insgesamt 50 der 76 Grundbuchnummern zählen zu dieser Kategorie. Viele davon gehören Einzelpersonen oder Ehepaaren. In seltenen Fällen sind es drei Personen oder Erbengemeinschaften. Bei vier Liegenschaften gibt es einen Mix aus Privaten und Firmen als Stockwerkeigentümern.

Private Grossgrundbesitzerinnen oder -besitzer hat es in Olten kaum. Es gibt nur wenige Personen, die zwei oder mehr Grundstücke besitzen. Die meisten Grundstücke – es sind sechs – gehören dem früheren Gemeindeparlamentarier und Altstadtliebhaber Hans Dieter Jäggi.

Rund 20 verschiedene Firmen tauchen im Grundbuch als Eigentümerinnen auf. Viele davon haben ihren Sitz in der Region oder in der Stadt selbst. Dazu gehören lokale Bau-, Immobilien- oder Architekturunternehmen wie die Bernasconi Liegenschaften AG («Suteria»), die Schwab Architektur und Liegenschaften AG oder die Bauort GmbH des Architektenpaars Daniela Minikus und Roberto Thüring. Auch EHC-Olten-Verwaltungsratspräsident Marc Thommen ist mit seiner W. Thommen AG (Stockwerkeigentum im Gebäude der Bijouterie Mägli) und der Thommen Immo AG (Zielempschloss) in der Altstadt vertreten.

Bei einigen Firmen stecken jedoch lediglich Privatpersonen dahinter, welche die Liegenschaft über eine AG halten, ohne dass diese darüber hinaus eine professionelle Immobiliengesellschaft wäre.

Im Herzen der Altstadt: die Hauptgasse.
Bild: Bruno Kissling

Auswärtige Immobilienbesitzer lassen sich an einer Hand abzählen. Das Gebäude, in dem sich heute die Swica Krankenversicherung befindet, gehört der Claridenhof AG, einer Zürcher Immobiliengesellschaft. Die Liegenschaft beim Kleidergeschäft Tally Weijl gehört einer Immobilienfirma aus Zug, bei der Marionnaud-Filiale ist es eine aus dem Baselbiet. Grosse institutionelle Anleger wie Fonds oder Pensionskassen gibt es in der Altstadt nicht.

Interessant ist bei den Firmen die PrimeEnergy Cleantech SA. Ihr gehört das Gebäude an der Hauptgasse 21, in dem derzeit unter anderem das E-Zigarettengeschäft Smokee eingemietet ist. PrimeEnergy Cleantech mit Sitz in Allschwil BL sorgt derzeit in der Romandie für Schlagzeilen. Die Firma, die sich auf die Installation von Photovoltaik-Anlagen spezialisiert hat, musste vor kurzem Konkurs anmelden. In der Westschweiz haben Hunderte Anlegerinnen und Anleger Zehn- oder Hunderttausende Franken in das Unternehmen investiert. Die Forderungen der Geschädigten sollen sich auf über 100 Millionen Franken belaufen. Zu den Geschädigten gehört auch Umweltpionier Bertrand Piccard, der für das Unternehmen als Markenbotschafter tätig war.

Es sind wohl die bekanntesten und augenfälligsten beiden Restaurants in der Altstadt: der «Rathskeller» und das «Kreuz». Sie gehören technisch gesehen der Rathskeller Olten AG und der Fröschenweid GmbH, doch hinter beiden Firmen steht derselbe Mann: Roger Lang. Seit 1996 wirtet der gebürtige Luzerner nun schon im «Chöbu», später kaufte er das Hotel Taverne zum Kreuz dazu.

Roger Lang in der Kreuz-Bar.
Bild: Bruno Kissling

Auch die anderen Restaurants sind weitgehend in Oltner Hand. Dazu gehören etwa die «Waadtländerhalle», das «Stadtbad», das Café «Grogg» oder die Pinseria «Incanto». Der altehrwürdige «Löwen» an der Hauptgasse, wo sich heute ein Thai-Restaurant, eine Tapas-Bar und die Suppenstube befinden, gehört einem Zürcher Banker.

Auch wenn man sich darüber streiten kann, ob es noch zur Altstadt gehört: Das nach Grundbuch flächenmässig mit Abstand grösste Grundstück gehört der Coop Genossenschaft. Knapp 1300 Quadratmeter gross ist die Liegenschaft mit dem Warenhaus Coop City. Mit etwas über 500 Quadratmetern auf Platz zwei folgt das Gebäude, in dem sich die Bijouterie Maegli, das Brillengeschäft Bartlomé und das Dessousgeschäft Beldona befinden. Die Plätze drei bis fünf sind mit rund 400 Quadratmetern alle etwa gleich gross: das Grundstück der PrimeEnergy Cleantech, das Restaurant Kreuz und das Haus an der Hauptgasse 25 («Fielmann»).

In vielen Schweizer Altstädten zählen die Bürgergemeinden zu den grossen Playern im Immobilienbereich. In Olten ist dies nicht der Fall. Der Bürgergemeinde gehören drei nebeneinanderliegende Gebäude in der südwestlichen Ecke der Altstadt. Sie sind Teil der alten Ringmauer, die früher fast die ganze Stadt umfasste. Das markanteste Gebäude der Bürgergemeinde ist die «Spittelschüür», die heute den Fasnächtlerinnen und Fasnächtlern der Säli-Zunft als Zunftlokal dient. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Liegenschaft das Armen- und Waisenhaus der Stadt.

Bis vor kurzem war die Bürgergemeinde noch im Besitz eines vierten Gebäudes. Weil das Haus am Oberen Graben 12 stark in die Jahre gekommen ist, hätte es totalsaniert werden müssen. Kostenpunkt: schätzungsweise 1,6 Millionen Franken. Da sich nach dem Umbau nur noch eine Wohnung hätte realisieren lassen, lohnte sich die Investition als Renditeobjekt nicht. Stattdessen beschloss die Bürgergemeindeversammlung vergangenen Juni, das Haus für 730’000 Franken an das Architekten-Paar Minikus/Thüring zu verkaufen. Es ist das erste Mal seit über 50 Jahren, dass die Bürgergemeinde eine Liegenschaft in der Altstadt verkauft hat.

Felix Frey, Bürgergemeindepräsident Olten
Bild: zvg

Die übrigen drei Gebäude möchte man laut Bürgergemeindepräsident Felix Frey aber auch die nächsten 50 Jahre behalten. «Zwei davon haben wir totalrenoviert. Sie sind voll vermietet, und es besteht eine grosse Nachfrage», sagt Frey. Andere Liegenschaften in der Altstadt zu kaufen, sei derzeit keine Option. «Zuerst stehen die Renovationen im Altersheim Weingarten an. Dort läuft jetzt die Planungsphase», so Frey.

Ausserhalb der Altstadt gehören der Bürgergemeinde neben dem Altersheim auch das Sälischlössli, das Bürgerhaus, das Restaurant Hotel Froburg sowie grosse Waldstücke bis weit über die Stadt hinaus.

Auch die Einwohnergemeinde spielt im Vergleich zu anderen Schweizer Altstädten in Olten kaum eine Rolle. Typische öffentliche Infrastrukturen wie Schulhäuser, Museen oder Verwaltung gibt es hier nicht. Der Stadt gehören nur zwei Liegenschaften: die Stadtbibliothek und der Ildefonsturm – zusammen mit der Alten Holzbrücke immerhin das Wahrzeichen der Altstadt. Vom Turm, der unter kantonalem Denkmalschutz steht, erfolgen heute noch die Turmrede an den Kabarett-Tagen und die Proklamation der Fasnacht.

Bis zum Verkauf 2016 gehörte der Stadt allerdings noch ein weiteres Gebäude, die Jugendbibliothek an der Zielempgasse 8. Es ist das einzige Grundstück, das die Einwohnergemeinde in den letzten 25 Jahren hier verkauft hat. Einen weiteren Rückzug der Einwohnergemeinde aus der Altstadt wird es nicht geben. Baudirektorin Marion Rauber schreibt auf Anfrage, dass es keine Pläne gebe, sich von den beiden letzten Liegenschaften zu trennen.

Baudirektorin Marion Rauber
Bild: Bruno Kissling

Umgekehrt wieder mehr Einfluss zu nehmen, etwa um günstige Wohnungen oder Gewerberäume zur Verfügung zu stellen, steht allerdings auch nicht zur Debatte. Gemäss Rauber werden grundsätzlich nur Liegenschaften und Grundstücke im Eigentum der Stadt behalten oder neue erworben, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder zur Förderung der im übergeordneten öffentlichen Interesse stehenden aktiven Stadtentwicklung dienen. «Entsprechende Bedürfnisse haben sich in der Altstadt nicht ergeben», so die Baudirektorin.

Aarau hat eine, Zofingen hat eine, Solothurn hat sogar drei – nur Olten hat keine. Die Rede ist von einer Kirche. Natürlich gibt es in Olten mehrere, darunter die Stadtkirche der Christkatholiken. Doch die liegt ein paar Meter neben der Altstadt. Innerhalb des Altstadtperimeters besitzen weder die christkatholische noch die römisch-katholische oder die reformierte Kirche ein Grundstück.

Eine andere religiöse Institution in der Nähe, das Kapuzinerkloster, gehört dem Staat Solothurn. Auch der Kanton glänzt in der Oltner Altstadt durch Abwesenheit und besitzt hier keine einzige Liegenschaft. Im Gegensatz zur Kantonshauptstadt. In der Solothurner Altstadt gehören dem Staat zwölf Grundstücke, darunter der Ambassadorenhof und das Rathaus.

Ein grosser Preisvergleich für Altstadtliegenschaften lässt sich kaum anstellen. Selten stehen sie überhaupt zum Verkauf und wenn, dann lässt sich über den Preis nichts erfahren. Ein Anhaltspunkt bietet immerhin die Funktion «Was zahlt die Nachbarschaft» beim Vergleichsdienst Comparis. Dort lassen sich die Kaufinserate der letzten fünf Jahre einsehen.

Unter den neun Inseraten ist etwa eine 5,5 Zimmer Wohnung, die 2021 für knapp zwei Millionen Franken angeboten wurde. Das Gewerbeobjekt an der Hauptgasse 29, in dem früher die Aargauische Kantonalbank ihren Regionalsitz hatte, war 2021 für 2,2 Millionen ausgeschrieben. Zu welchem Preis sie tatsächlich verkauft wurden, ist unbekannt.

Es gibt nur zwei Liegenschaften, die aktuell zum Verkauf stehen: die beiden Mehrfamilienhäuser an der Hauptgasse 5 und 9. Sie gehören einer Erbengemeinschaft und sollen zusammen verkauft werden. In den beiden Häusern mit Baujahr 1900 befinden sich insgesamt sechs Wohnungen und zwei Gewerberäumlichkeiten. Gemäss Inserat sind alle Objekte vermietet, die Bruttorendite wird mit 4,14 Prozent angegeben. Bis vor kurzem waren die Immobilien zusammen für 2,7 Millionen Franken ausgeschrieben. Jetzt heisst es nur noch «auf Anfrage».


Pensionierter Anwalt, ehemaliger Politiker, Weinbauer und vor allem Altstadtliebhaber: Hans Dieter Jäggi gehören in der Altstadt gleich sechs Grundstücke. Mehr als jeder anderen Privatperson. Beim Gespräch erklärt er, warum er trotzdem kein Immobilienhai ist, wie er zu den Häusern kam und was sich für die Altstadtbewohnenden ändern müsse.

Hans Dieter Jäggi vor seinem Wohnhaus in der Marktgasse 11.
Bild: Bruno Kissling

«Sie müssen mir noch mal genau erklären, was Sie von mir wollen», sagt Hans Dieter Jäggi gleich bei der Begrüssung. Er sei zwar er ein begeisterter Zeitungsleser, aber selbst im Mittelpunkt zu stehen, das müsse dann doch nicht sein. «Sonst heisst es wieder: Schau mal, der Jäggi. Jetzt muss der wieder unbedingt in die Zeitung.»

Nein, gesucht hat er die Aufmerksamkeit hierfür nicht. Verdient hat er sie aber allemal. Denn Jäggi ist die Person, die in der Oltner Altstadt laut Grundbuch die meisten Grundstücke besitzt. Sechs kleine und mittelgrosse sind es – rechnet man deren Fläche zusammen, gehört er zu den grössten Grundbesitzern in der Altstadt. Ihm gehören zwei Häuser an der Marktgasse sowie vier Parzellen mit Gartenflächen am Salzhüsliweg an der Dünnern.

Hans Dieter Jäggi ist aber kein Immobilienhai, der die Oltner Altstadt zu jedem Preis verschlingen möchte. Im Gegenteil: «In der Altstadt Liegenschaften zu haben und hier zu wohnen, ist nicht das Gleiche.» Die Altstadthäuser würden kaum als Renditeobjekte taugen. Dafür seien sie zu teuer und zu aufwendig, da sich Renovationen aufgrund des Denkmalschutzes über Jahre hinziehen können. «Für ein Altstadthaus muss man eben ein Liebhaber sein», erklärt er.

Dass er einer ist, spürt man schon, wenn er in der «Suteria» beginnt, vom historischen Stadtkern zu schwärmen. Zu fast jedem Gebäude kennt der pensionierte Anwalt die Geschichte. «Ich bin aber nur Hobbyhistoriker, kein studierter», wirft er lachend ein.

Auf dem Tisch breitet er neben seinem Pfefferminztee eine grosse Karte der Altstadt aus. Jedes Haus hat Jäggi fein säuberlich mit dem Namen des jeweiligen Besitzers oder der Besitzerin beschriftet. Praktisch alle kennt er persönlich. Man verstehe sich gut untereinander, sagt er. «Gerade wir hier an der Marktgasse. Das sind alles Altstadtliebhabende, und wenn es Themen gibt, welche die Altstadt betreffen, dann besprechen wir das eben untereinander.»

Die Häuser wurden ihm angeboten

Seine Liebe zur Altstadt wuchs aber erst über die Jahre. Aufgewachsen ist er auf der anderen, der rechten Aareseite. Die Familie führte dort ein gleichnamiges Baugeschäft, man kannte sich in der Stadt. Auf die andere Stadtseite kam Hans Dieter Jäggi eher durch Zufall. «Das Haus an der Marktgasse 11 konnten er und sein Bruder Anfang der 1970er-Jahre übernehmen, da die mit seiner Familie bekannten Bewohner alle verstorben waren. Nach zeitintensiven Renovierungsarbeiten zog er mit seiner Frau dort ein.

In den 1990er-Jahren wurde ihm und seinem Bruder das zweite Haus an der Marktgasse angeboten. Auch hier veranlassten sie eine aufwendige Sanierung. Heute sind die beiden Wohnungen darin gerade bei jungen Pärchen beliebt, sagt Jäggi. Auch die Mietenden sollten ihm zufolge Altstadtliebhaber sein. Viel Platz bieten die Wohnungen in den schmalen Häusern nämlich nicht. «Sobald dann die Kinder da sind, suchen sie sich etwas Neues», so Jäggi.

Im Video spricht Hans Dieter Jäggi über die Herausforderungen, ein Altstadthaus nach heutigen Wohnbedürfnissen umzubauen und wieso sich diese Entbehrungen lohnen.
Video inkl. Bilder: Adrian Kamber

Der einzige Weinbauer in Olten

Jäggi sorgt mit einem seiner Hobbys auch für eine weitere Besonderheit in der Altstadt. Wer hin und wieder am Salzhüsliweg entlangspaziert, dürfte die Rebstöcke in Jäggis Garten bemerkt haben. Tatsächlich baut seine Familie dort schon seit rund vierzig Jahren Wein an. Ein bis zwei Abende pro Woche verbringt der Hobbywinzer damit, die fünfzig Rebstöcke zu pflegen. Den Weisswein vom einzigen «Oltner Weingut» gibt es allerdings nicht zu kaufen. Die paar Dutzend Flaschen Weisswein, die er jedes Jahr davon erhalte, seien Geschenke für Freunde und Familie.

Jäggi besitzt rund fünfzig Rebstöcke in seinem Garten.
Bild: Bruno Kissling

An weiteren Immobilien in der Altstadt habe er kein Interesse. «Ich bin zufrieden mit meinem Haus und bleibe auch hier, bis ich rausgetragen werde», scherzt der 71-Jährige. Ein Anliegen hätte der ehemalige FDP-Kantonsrat dann aber doch: «Erschliessung und Zufahrt mit dem Auto sind zu streng geregelt. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt den Zugang für die Anwohnerinnen und Anwohner erleichtert.»


Martin Eduard Fischer war 30 Jahre lang Stadtarchivar und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur Oltner Stadtgeschichte. Viele Auffälligkeiten beim Immobilienbesitz in der Altstadt lassen sich historisch erklären. Der 86-Jährige erklärt im Interview, wieso es kaum grosse Investoren gibt und weshalb die Kirche aus der Altstadt verschwand.

In der Solothurner Altstadt sind weniger als die Hälfte der Liegenschaften in privaten Händen. Die Oltner Altstadt ist hingegen zu zwei Dritteln im Besitz von Privatpersonen. Wie ist das zu erklären?

Das mittelalterliche Städtchen ist über den Grundmauern des römischen Kastells an der Heeresstrassse von Aventicum nach Vindonissa entstanden. Vermutlich zur Sicherung des Aareübergangs. Es war eine kleine Anlage. Deshalb konnte man die Altstadt nicht einfach beliebig grösser machen. Sie hatte nie mehr als 72 Häuser. 1592 beschloss die Gemeindeversammlung, dass jeder, der in Olten Bürger werden wollte, ein Haus oder einen Anteil an einem Haus besitzen müsse. Deshalb wurde praktisch jeder Ökonomiebau in der Stadt zu einem Wohnhaus gemacht, sogar die Scheunen und Gebäude ausserhalb der Stadtmauern. Die Gebäude wurden immer höher, bis sie sogar die Stadtmauern überragten. Die Liegenschaften wurden zum Teil regelrecht miniaturisiert, um noch mehr Platz zu schaffen. Es gab sogar Bürger, die hatten nur Anrecht auf ein Zimmer im Estrich.

Historiker Martin Eduard Fischer
Bild: zvg

Wie ging es dann weiter?

Diese Entwicklung dauerte bis zur Französischen Revolution. Danach verliessen die reicheren Bürger die Altstadt und bauten ihre Häuser ausserhalb. So erfuhr die Altstadt eine Abwertung. Leerstehende Häuser wurden von aufstrebenden Firmen aufgekauft. Das Eisenwarengeschäft von Viktor Meyer belegte zu Spitzenzeiten elf Liegenschaften. Oder das ehemalige Kaufhaus von Felbert, wo heute die Fielmann-Filiale drin ist. Dieses Gebäude bestand früher aus vier Wohnhäusern, bis diese um 1930 zu dem einen Kaufhaus vereint wurde. Sobald ein kleines Haus zu verkaufen war, haben es sich die Firmen geschnappt, weil Private kein Geld dafür hatten. Als es mit den Geschäften nicht mehr so gut lief, hat sich das wieder gedreht. Heute ist das Wohnen in der Altstadt ein begehrter Luxus.

In der Solothurner Altstadt gibt es gleich drei Kirchen, in Olten keine. Weshalb?

Natürlich hatte auch Olten früher eine Kirche in der Altstadt. Sie stand zwischen dem Ildefonsturm und der alten Kaplanei. 1844 war sie aber derart baufällig, dass man beschloss, sie abzureissen. Schon zuvor, zwischen 1806 und 1813, wurde allerdings die heutige Stadtkirche direkt ausserhalb des Altstadtkerns gebaut. Etwas war übrigens besonders.

Was meinen Sie?

Die neue Stadtkirche hatte aus Kostengründen nur zwei kleine Holztürme. Diese waren mit Blech verkleidete Holzkonstruktionen. Anfangs konnte man sich auch keine Glocken dafür leisten. Als man die alte Stadtkirche in der Altstadt abriss, liess man den Stadtturm stehen, weil daran die einzige öffentliche Uhr war und im Turm noch die alten Glocken hingen. Die Gottesdienste in der neuen Kirche wurden jeweils mit den Glocken im Stadtturm eingeläutet.

Heute fällt auch auf, dass die Einwohner- und die Bürgergemeinde in der Altstadt kaum vertreten sind. Gibt es dafür auch eine historische Erklärung?

Nun, man muss wissen, dass es diese Unterscheidung früher gar nicht gab. Früher waren die Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinde ein und dasselbe – die Gemeinde Olten. Erst während des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert kam es zur Trennung von Kirche und Staat. Und bis 1875 waren auch Einwohner- und Bürgergemeinde noch eine Einheit. Erst als sich diese trennten, stellte sich die Frage, wem was zustehe. Da die Bürgergemeinde für die Armen zuständig war, erhielt sie das Armenhaus in der südwestlichen Ecke der Stadt. Für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erhielt die Einwohnergemeinde das damalige Stadthaus. Heute befindet sich dort die Stadtbibliothek.

Olten war über drei Jahrhunderte lang Untertanenstadt der Solothurner. Heute besitzt der Kanton aber keine einzige Liegenschaft in der Altstadt. War das immer so?

Nein, zur Solothurnerzeit gehörten dem Staat drei Gebäude. Seit 1461 setzte Solothurn in Olten den Schultheissen ein, der zum Rechten schaute. Für ihn erwarb die Stadt 1517 das Haus am Bögli, wo sich heute das Geschäft Goldschmied Brunner befindet. Weil es dem Schultheissen zu klein wurde, tauschte es die Regierung um 1650 gegen das heutige Restaurant Kreuz. Ein letztes Mal zügelte der Schultheiss dann an die Kirchgasse ausserhalb der Altstadt. Dem Staat gehörte früher zudem noch das Haus des Landschreibers neben der heutigen «Suteria». Als Olten ab 1819 wieder das Stadtrecht zurückerhielt, gab es für den Staat keinen Grund mehr, in der Altstadt zu bleiben.

Die Oltner Altstadt scheint kein Anziehungspunkt für Investoren zu sein, es gibt kaum grosse Renditeobjekte. Was ist der Grund dafür?

Olten war immer ein Ort von Leuten, die arbeiten mussten. Das Städtchen ist mickrig im Vergleich zum herrschaftlichen Solothurn. Dort konnte man es sich leisten, gross zu bauen und von den Zinsen zu leben. Olten ist als Kleinstadt gewachsen, aber immer eine geblieben. Die so entstandene Struktur ist heute nichts für grosse Geschäfte. Alleine schon, weil man dafür mit dem Auto Zugang haben müsste.

Dennoch schätzen Sie die Oltner Altstadt so, wie sie ist. Was wünschen Sie sich für sie?

Die Altstadt sollte man möglichst gut erhalten und Sorge zu dem tragen, was noch übrig ist vom alten Kern. Der heutige Ladenmix mit den vielen Brillen- und Jeansläden ist allerdings nicht sehr ausgewogen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass man die grossen ehemaligen Geschäftsliegenschaften an der Hauptgasse wieder aufspalten würde, um so kleineren Unternehmern eine Chance zu geben.

Diese Diplomarbeit wurde am 23. November beim Oltner Tagblatt veröffentlicht.

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