Jedes Jahr kommt es im Kanton Solothurn zu Hunderten Unfällen mit Wildtieren auf der Strasse. Mit dem Sparpaket hat der Kantonsrat auch Massnahmen zur Prävention solcher Unfälle hinausgeschoben. Das stösst dem Jägerverband sauer auf.
10. Januar 2025
«Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wie jemand auf Kosten des Tierleids, auf Kosten Verletzter und Schwerstverletzter oder gar Toter und unter Inkaufnahme grosser Sachschäden sparen will.» Das schreibt Cyril Bardet, Präsident der kantonalen Jagdvereinigung Revierjagd Solothurn, in seinem aktuellen Newsletter. Der Satz zeigt: Das Unverständnis über die Sparmassnahme des Kantonsrats ist gross.
Vergangenen Dezember schnürte der Kanton bekanntlich ein 60-Millionen-Sparpaket zur Sanierung der Kantonsfinanzen. Jeder noch so kleine Budgetposten wurde unter die Lupe genommen und auf seine Notwendigkeit überprüft. Der Sparübung fielen auch die 25’000 Franken zum Opfer, die jährlich für Massnahmen zur Prävention von Wildtierunfällen auf Kantonsstrassen vorgesehen waren. Statt ab diesem Jahr sollen sie erst ab 2027 zur Verfügung stehen.

Bild: Christina Varveris
Viel zu spät, findet Cyril Bardet. «Es ist schlimm, dass genau bei diesem Posten gespart wird. Aus meiner Sicht sind die Massnahmen unverzichtbar», sagt der Jäger. Tatsächlich kommt es im Kanton regelmässig zu solchen Unfällen. Über 1000 Wildtiere starben alleine 2024. Von 2017 bis heute sind es gar über 7000 Tiere, die im Strassenverkehr oder von der Bahn erfasst wurden.
Wie die AXA als grösster Motorfahrzeugversicherer der Schweiz schreibt, führten Wildtierunfälle in der Schweiz 2023 bei ihr zu einer Schadenssumme von 11,5 Millionen Franken. Ein Schadensfall koste im Schnitt 3500 Franken. Dazu kommen Personalkosten für Polizei und Jagdaufseher sowie mögliche verletzte oder tote Auto- oder Motorradfahrende.
Die Hotspots im Kanton sind bekannt
Dabei gäbe es Massnahmen, um genau dies zu verhindern. Ein 2019 aus dem Kantonsrat eingereichter Auftrag forderte den Regierungsrat dazu auf, ein Konzept zur Minimierung der Wildtierunfälle auf Strasse und Schiene vorzulegen. Eine Studie der Firma Wildlife Solutions errechnete im Anschluss 30 Hotspots im Kanton, die es zu entschärfen gilt. Bei dreien davon knallt es besonders oft: dem Langmattrain zwischen Gretzenbach und Kölliken, im «Strick» in Seewen sowie im Attisholzwald bei Riedholz.

Bild: Fabio Baranzini
In Gretzenbach wurden seit 2017 insgesamt 34 Tiere von Autos getötet, in Seewen sind es 29. An beiden Orten hat das Amt für Verkehr und Tiefbau im Mai 2024 bereits Wildwarngeräte installiert. Wenn ein Tier sich der Strasse auf eine Distanz von weniger als 30 Metern nähert, erkennen das die Bewegungs- und Wärmesensoren der Warngeräte. Dann beginnen sie orange zu blinken, um die Autofahrerinnen und Autofahrer vor der Gefahr zu warnen.

Bild: Fabio Baranzini
Das zeigt Wirkung: Wie das Amt für Wald, Jagd und Fischerei auf Anfrage schreibt, kamen in Seewen seit der Installation keine Wildtiere mehr zu Schaden. In Gretzenbach traf es keine grösseren Säugetiere wie Rothirsche, Rehe oder Wildschweine mehr.
Anders an der Baselstrasse beim Attisholzwald in Riedholz. Hier wurden noch keine Wildwarngeräte installiert. Die Folge: 16 Rehe und ein Wildschwein starben 2024 bei Unfällen auf diesem Abschnitt. Das zeigt die Statistik des dort zuständigen Jagdleiters Markus Morand. Seit 2007, als er mit der Erfassung begann, sind es sogar 252 Rehe und 5 Wildschweine. Dazu kommen laut Morand Dutzende Hasen, Füchse und Dachse sowie eine nicht zu unterschätzende Dunkelziffer, weil Autofahrende nicht alle Unfälle melden.
Wie das Amt für Verkehr und Tiefbau schreibt, sind die Präventionsmassnahmen entlang des Attisholzwaldes von der Umsetzung des Strassensanierungsprojekts Baselstrasse abhängig – und erst ab 2032 geplant. Welche Massnahmen an den weiteren Hotspots im Kanton mit den eingesparten 50’000 Franken für 2025 und 2026 hätten umgesetzt werden sollen, ist nicht bekannt.
Grosse Tragweite einer kleinen Einsparung
Das findet Mitte-Kantonsrat Thomas Studer stossend. Von ihm stammt der erwähnte Auftrag an die Regierung zur Erarbeitung des Massnahmenkonzepts. In der Budgetdebatte setzte er sich gegen die Verschiebung der Präventionsmassnahmen ein. Er sagt: «Der Betrag von 25’000 Franken wäre nicht systemrelevant gewesen, aber die Tragweite ist relativ gross. Die Konsequenz ist, dass das Massaker der Wildtierunfälle jetzt weitergeht.» Zudem handle es sich nicht wirklich um eine Sparmassnahme. «Die Kosten entstehen jetzt durch die Unfälle.»a
Für die Jagdaufseher, die bei den Zusammenstössen ausrücken und die toten Tiere entsorgen oder schwer verletzte Tiere erlösen müssen, ist jeder Unfall einer zu viel. Der Präsident des Jägerverbands will die derzeitige Situation darum nicht auf sich beruhen lassen. Bardet sagt: «Wir werden nun das Gespräch mit Unfallversicherern suchen, um einen Weg zu finden, die Präventionsmassnahmen zugunsten der Wildtiere dennoch umzusetzen.»