Vom Himbeersirup bis zum teuren Champagner: Im Aargau gibt es immer mehr Ladendiebstähle. 2023 waren es 10 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Das sagen Kantonspolizei und Einkaufszentren zum Problem.
26. April 2024
Egal ob man «vergessen» hat, einen Himbeersirup einzuscannen oder den teuren Alkohol in der Jacke nach draussen schmuggeln wollte: In der Schweiz ist Ladendiebstahl praktisch ein Volksdelikt. Noch nie gab es so viele Fälle wie 2023. Über 24’000 registrierte Ladendiebstähle waren es landesweit. Das sind fast 5000 mehr als noch im Vorjahr. Auch im Aargau wurde im vergangenen Jahr mit 1496 festgestellten Delikten eine neue Höchstmarke erreicht – 10 Prozent mehr als 2022. Ohne die Sonntage sind das rund fünf Fälle pro Tag. Hinzu kommt eine «zweifellos grosse Dunkelziffer», wie die Kantonspolizei bestätigt.
Als Ladendiebstahl gilt das Entwenden von Verkaufswaren aus einem Geschäft zu den regulären Öffnungszeiten. Die Kriminalstatistik zeigt: Als Täter kommen sämtliche Bevölkerungsgruppen infrage: Unter den 1052 Beschuldigten im Aargau waren 100 Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren. Gestohlen wird aber bis ins hohe Alter. Zehn Beschuldigte waren zwischen 80 und 90 Jahren alt. Beim Geschlecht machen die Männer mit zwei Dritteln (690 Personen) die Mehrheit aus.
Betrachtet man die Beschuldigten nach Aufenthaltsgruppe, zeigt sich folgende Verteilung im Aargau: 315 Schweizer, 271 aus der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung, 239 aus der Asylbevölkerung und 227 aus der übrigen ausländischen Bevölkerung
«Schwierig, die Zunahme zu begründen»
Wie lässt sich diese Zunahme erklären? Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, schreibt dazu: «Ladendiebstahl ist ein vielschichtiges Delikt und lässt sich daher mit Blick auf die jeweilige Täterschaft nicht auf einen Nenner bringen. Dementsprechend schwierig ist es, die offensichtliche Zunahme zu begründen.» Eine Zunahme habe es aber sicher bei Banden gegeben, die aus dem Ausland kommen und in der Schweiz auf Diebestour gehen.

Naturgemäss gehören die grossen Einkaufszentren zu den Hotspots für Ladendiebstahl. «Dies hat aber nicht zuletzt damit zu tun, dass die betroffenen Geschäfte vermehrt Ladendetektive einsetzen und dementsprechend häufig Ladendiebe überführen», so Graser. Genaue Zahlen zu einzelnen Shoppingcentern werden aber weder von der Polizei noch den Zentren selbst erfasst.
Unter dem Strich seien aber laut Graser alle Betriebe und Branchen betroffen: «Dies beginnt beim Laden am Bahnhof, wo jemand eine Büchse Bier entwendet, über Shoppingcenter, wo Leute Kleider, Modeschmuck und Kosmetika stehlen und geht hin zum Elektronikfachmarkt, wo kriminelle Banden gezielt teure Geräte abtransportieren».
«Im Rahmen beschränkter Ressourcen» würden die Kantons- und Regionalpolizeien immer wieder Präsenz in den Einkaufszentren zeigen. «In den Geschäften selber für Sicherheit in puncto Ladendiebstahl zu sorgen, ist jedoch eindeutig Sache der jeweiligen Detailhändler», schreibt der Mediensprecher der Kantonspolizei.
Das sagen die Einkaufszentren
Bei den angefragten Einkaufszentren fallen die Antworten relativ kurz aus. Patrick Stäuble ist Centerleiter des flächenmässig grössten Shoppingcenters der Schweiz, dem Shoppi Tivoli in Spreitenbach. Er schreibt: «Wir können keine Zunahme im 2023 feststellen und ich habe auch nicht im Austausch mit den Mietern gehört, dass dies zugenommen hätte.» Bei 160 Läden im gesamten Shoppi würde man nicht jeden Diebstahl mitbekommen, da dies Sache der einzelnen Geschäfte sei. Viele Läden hätten ihre Waren mittlerweile elektronisch gesichert.

Zum Wynecenter in Buchs kann oder will die Migros Aare, der das Einkaufszentrum gehört, keine Angaben machen. Mediensprecher Samuel Hool teilt auf Anfrage lediglich mit, dass man im gesamten Wirtschaftsgebiet der Migros Genossenschaft Aare einen leichten Anstieg von Diebstählen beobachte. Die Zahl bewege sich aber «im üblichen Rahmen der letzten Jahre». Aus «sicherheitsrelevanten Gründen» könne man zu den konkreten Sicherheitsmassnahmen in den einzelnen Filialen keine Angaben machen.
Etwas mehr sagt dafür Sandro Eisele, Vize-Präsident der IG City-Märt in Aarau und Geschäftsführer des dortigen Coop-City-Warenhauses. Die genauen Zahlen kennt auch er nicht, aber: «Wir haben ganz klar eine Zunahme der Ladendiebstähle gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Die Täter werden immer jünger und agieren vermehrt auch zu zweit oder zu dritt, um das Verkaufspersonal abzulenken.»

Schon seit einiger Zeit setzt die IG City-Märt zusammen mit den einzelnen Geschäften auf einen gemeinsamen Sicherheitsdienst. Zudem führt die IG City-Märt jährlich eine Sicherheitssitzung mit der Kantonspolizei durch. Eisele würde sich wünschen, dass diese mehr Patrouillen im Einkaufszentrum durchführte, da diese eine abschreckende Wirkung hätten.
In seiner Rolle als Coop-City-Geschäftsführer spricht Eisele bei jedem Ladendiebstahl zudem ein Hausverbot aus. «Ein solches gilt für zwei Jahre und für alle Coop-Filialen in der Schweiz. Wenn jemand dagegen verstösst, kann er wegen Hausfriedensbruch angezeigt werden», so Eisele. 10 bis 20 Hausverbote müsse er in Aarau pro Monat aussprechen.
Welche Konsequenzen das haben kann, zeigt ein Strafbefehl aus dem vergangenen Jahr. Ein 25-jähriger Zurzibieter wurde beim Diebstahl einer Flasche Himbeersirup im Coop in Kleindöttingen erwischt. Weil er schon ein Hausverbot hatte, wurde er wegen Hausfriedensbruchs und Diebstahls zu einer Geldstrafe von 1400 Franken verurteilt. Mit Busse und Polizeikosten musste er insgesamt 1628 Franken bezahlen. Der Himbeersirup hätte lediglich 2.95 Franken gekostet.